Ökonomie des Begehrens
Zum genaueren Umgang mit den Begrifflichkeiten zur Ökonomie des Begehrens hat Mark-Man ein Modell des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan einer Revision unterzogen. Aus der Arbeit ist ein Buch entstanden, das im September 2011 auf den Markt kommt.
Ulrich Hermanns, Discours capitaliste und Plus-de-jouir.
Zur ökonomischen Terminologie von Jacques Lacan 1969 – 1972.
Peras Verlag, Düsseldorf, ISBN 978-3-935193-25-2, 104 Seiten, € 10,50
Discours capitaliste und Plus-de-jouir
Das Buch handelt vom Unbewussten, insofern es nicht nur das individuelle eines jeden Menschen ist, sondern sich darüber hinaus in die Dinge und den Umgang mit ihnen fortsetzt – und zugleich darin erst sich zur Erscheinung bringt.
Die ökonomische Terminologie Jacques Lacans wird, um Aspekte dessen zu verdeutlichen, in doppeltem Sinn genutzt. Erstens, um konkret zu zeigen, wie sie in sich funktioniert. Zweitens, um an geeigneten Stellen sichtbar zu machen, wo die Anschlüsse für die weitere Erkundung dessen liegen, was den Zusammenhang des vermeintlich individuellen Begehrens mit der unausweichlichen Schaffung und Fortschreibung der Zustände um uns herum, wie in uns, angemessen verstehbar macht.
Unsere Vernunft allein lässt uns bekanntlich kaum sogleich erken-nen, wie wir im Begehren nach den Dingen gleichsam verschiebend an der Schaffung einer Welt teilhaben, deren Regeln weder wir selbst kontrollieren können, noch die Institutionen, die unsere Vor-fahren, Mitmenschen und auch wir zur Aufrechterhaltung und Koor-dination des Zusammenlebens geschaffen haben.
Selbst diejenigen, die durch das Walten und oft auch Wüten der bestehenden ökonomischen Ordnungen ungefragt und ohne Gnade in die Position der Armen versetzt werden, begehren beständig dasjenige, was in der Realisierung des Begehrens die eigene Un-terdrückung fortschreibt – Konsumdinge. Sie deshalb fortschreibt, weil sie an diejenigen, welche die physisch präsenten Warendinge liefern, ebenso wie vorgestellte, nämlich das gesamte Medienwe-sen, etwas abliefern, das niemals bezahlt wird – ihr Begehren nach Genießen.
Und was anderes können wir, die unvermeidlichen Doppelagenten, produzieren als Objekte der Begierde? Ohne zu wissen, welche Nebenwirkungen das andernorts, welcher seinerseits wieder das Unbewusste ist, erzeugt.
Das, was zwischen den Individuen und den Ordnungen zur selbst-redend immer auch vergeblichen, dinglichen Erfüllung des Begeh-rens zirkuliert, ist der Plus-de-jouir – die Mehr-Lust, das Mehr-Genießen.
Mehr-Lust ist die mit höchst notwendiger Indifferenz ausgestattete Währung im Transfer zwischen den libidinösen Besetzungen des gesellschaftlichen Feldes und dem psychischen Apparat unser aller je leiblicher Existenz. Wobei das Verständnis des letzteren erst durch den Gebrauch des Äquivalents konkretisiert wird.
Hoffnung wäre, zur humanen Beeinflussbarkeit der Zustände in den Umgebungen und Seelen nicht nur all derer, die vom Discours capitaliste, dem marktwirtschaftlichen Diskurs, hin und her ge-schleudert werden, irgend beizutragen – sowohl, wenn es um das Verständnis dessen geht, was früher Krankheit hieß, als auch um ein angemessenes Verständnis der Réalité humaine.